Die Profilgemeinde „Die Nächsten“ lädt wieder zur Friedensdekade ein
Der Turmbau der Garnisonkirche wächst. Doch herrscht in Potsdam nach wie vor Unfrieden um den Bau der Garnisonkirche. Es gibt unterschiedliche Positionen gegen den Wiederaufbau. Eine Gruppe sind Christen, denn bei weitem nicht alle evangelischen Christen befürworten die originalgetreue Rekonstruktion des Baus ohne einen sichtbaren Bruch am Turm.
Darum gründeten sie vor 4 Jahren mit Grundsteinlegung des Turmbaus ihre Profilgemeinde. Sie nennen sich „Die Nächsten“, weil sie einerseits Nachbarn sind hier am Ort und weil sie die Entscheidungen zum Bau der Kirche gerne künftigen, nächsten Generationen überlassen möchten. Sie halten auch nichts davon, dieses Gebäude hauptsächlich aus Staatlichen Mitteln zu errichten, weil die Spendenbereitschaft von BefürworterInnen des Baus viel zu gering ist.
In den Turm fließt auch Geld der EKD und der EKBO. Geld, das an anderen Stellen dringend für lebendige Arbeit in Gemeinden und Erhalt und Wandel von Kirchen und Strukturen gebraucht würde. Die kleine Kapelle im Turm ist wenig Kirche im Vergleich zu umliegenden Kirchen, die dringend finanzielle Unterstützung brauchen, um erhalten zu bleiben.
„Die Nächsten“ stehen nicht für den Abriss des bisher errichteten Turms, sie bitten um Einhalt, um Innehalten, ehrliche Beschau: Wofür wird der Turm gebaut, wofür soll er stehen? Schon jetzt schiebt er sich mit großer Gewalt in den Stadtraum, in die Straße hinein und demonstriert in erster Linie Macht. Dabei hat er gerade die Hälfte seiner geplanten Höhe überschritten. „Die Nächsten“ erinnert das an den Turmbau zu Babel.
Noch immer hoffen die Mitglieder der Profilgemeinde darauf, dass das Drängen nach einem starken Bruch am Turm erhört und die Abkehr von der Geschichte dieses Ortes sichtbar gemacht wird. Neue Zeichen des Friedens braucht der Turm, im Sinne des vor 20 Jahren beabsichtigten „spirit of change“. Der Wandel soll auch außen sichtbar und abschreckend für national gesinnte Kräfte sein!
Auch sie sind Stimmen der evangelischen Kirche, die gehört werden sollen. Es gibt nicht wenige Christen, die aus der Kirche ausgetreten sind wegen des Wiederaufbaus der Garnisonkirche. Hier braucht es nach wie vor den Diskurs im Prozess, den auch die Kirche öffentlich mitführt. Dazu möchten sie die EKBO, deren Landessynode derzeit in Berlin tagt, aufrufen.
„Die Nächsten“ beten um Frieden und laden herzlich dazu ein, am Sonntag, 14.11.2021 um 18 Uhr im Rahmen der Friedensdekade gemeinsam und mit gebotenem Abstand zu beten und zu singen.
Die Betenden sind aufgerufen, ein Zeichen des Friedens mitzubringen.
Das wollen sie später den NachbarInnen des Turmbaus überreichen.
Für „die Nächsten“ bedeuten der steinerne Bauschmuck der Kriegszüge, die Waffen, Standarten und Trophäen am Turm nicht beiseite gehängte Attribute der Waffenruhe. Sie verherrlichen die Lust am Krieg, am Siegen. Die originalgetreue Rekonstruktion ist kein Aufruf zum Frieden. Sie hoffen hier nach wie vor auf Änderung im Geiste von „Schwerter zu Pflugscharen“ und folgen damit dem Aufruf der Friedensdekade.
Sie haben noch nicht aufgegeben und treten dem Turmbau von Potsdam mit ihrem Gewissen entgegen und möchten andere dazu ermuntern. So sollen die Gesänge, Worte und Gebete für den Frieden am Sonntagabend über die Straße und den Bauzaun schallen:
Noch ist Zeit für Demut.
Noch ist Zeit über den unsäglichen, gar nicht friedfertigen Bauschmuck am Turm zu sprechen und Zeichen des Friedens anzubringen.
Noch ist Zeit, das Nagelkreuz als Zeichen des Wandels und nicht die barocke Turmzier auf den Turm zu setzen.
Noch ist Zeit, durch den Bruch am Turm diesen für rechte Kräfte und ihre nationalistischen Bestrebungen unattraktiv zu machen.
GOTT,
HEILIGE GEISTKRAFT,
im Gebet verbunden
mit allen Frieden-Suchenden
bitten wir DICH:
DEIN Reich komme.
DEIN Reich, GOTT,
ist nicht von dieser Welt;
doch in dieser Welt
erleben wir DEINE Gegenwart:
Arbeit und Ruhe belebst DU
durch DEIN Wort.
Für alle Zeichen DEINER Nähe danken wir DIR.
HEILIGE GEISTKRAFT,
von DIR getrieben
erweisen wir uns als DEINE Kinder,
und bitten:
Lass uns suchen und finden
was dem Frieden dient.
Rüttle uns auf,
dass wir uns nicht einlullen lassen von falschen Versprechungen.
Ermutige uns Konflikten nicht auszuweichen
und im Anderen DICH zu entdecken.
Festige uns darin
uns nicht abzufinden mit faulem Frieden.
Wenn wir außer Atem kommen
auf der Jagd nach dem Frieden,
schenke DU uns innere Stille,
damit wir in JESUS CHRISTUS bleiben, DEINEM Sohn.
Lass uns Verbündete finden im Bestreben
gotteslästerliche Türme
nicht in die Höhe wachsen zu lassen.
Wir suchen DEINEN Frieden, GOTT,
Gegenruf zum
"Ruf aus Potsdam"
Als Einleitung der Schlacht um Berlin (16.4. - 2.5.45) bombardierte die Royal Air Force am 14.April 1945 die Garnisonstadt Potsdam und zerstörte die von den Nationalsozialisten verehrte Garnisonkirche. Seit Jahrzehnten wurde dort für den Krieg gepredigt. ■ Das sowjetische Militär schenkte das staatliche Kir- chenareal der Garnisonkirchengemeinde. Diese richtete sich 1950 eine Kapelle in der Ruine ein. Die Evangelische Kirche entschied, die Garnisonkirche in Heilig-Kreuz-Kirche umzubenennen. Zu Gunsten des Wiederaufbaus der Nikolaikirche nahm sie später den Abriss der Ruine in Kauf. Besonders protestierte z.B. der einstige Nazi-Ideologe Winfried Wendland aus dem Kirchlichen Bauamt. ■ 1968 enteignete die DDR die Heilig-Kreuz-Gemeinde. Die Gemeinde wurde großzügig entschädigt und konnte das Heilig- Kreuz-Haus zu einem modernen Gemeindezentrum ausbauen. Die Kirchenruine sprengte man (wie etwa gleichzeitig die Garnisonkirche in Hannover) trotz verschiedener Proteste. Die abgetragene Garnisonkirche blieb eine Symbolkirche rechter Nationalisten in der Bundesrepublik. Großspenden belegen das. ■ Wir finden uns nicht damit ab, dass dieses Symbol wieder entstehen soll. Wir rufen auf, den Wiederaufbau zu verhindern.
UNTERSTÜTZEN SIE UNS !
Das Areal der Garnisonkirche soll einer geschichtsbewussten Friedensarbeit dienen. Friedensarbeit darf kein Mittel sein, um den Bau eines umstrittenen Turms zu legitimieren. "Der befreiende Ruf des Evangeliums" braucht keinen riesigen Turm. Bereits die Wiederaufbaupläne für die Garnisonkirche bestärken Nationalisten und Antidemokraten. Der lan- ge schwer belastete Ort der Garnisonkirche, an dem man oft für Krieg und Gewalt, für Monarchie und Diktatur zusammenkam, muss einen eindrücklichen Bruch in der äußeren Gestalt erfahren. ■ Der architektonische Stellenwert der alten Garnisonkirche ist umstritten, ihr Baumeister zweitrangig. Der Potsda- mer Dreikirchenblick war historisch wechselhaft. ■ Kein Widerständler ist bekannt, den Predigt oder Seelsorge an der Garnisonkirche zum Widerstand inspirierte. Belegt ist jedoch geistliche Inspiration zu Kriegen. ■ Die Garnisonkirche wurde nicht nur im März 1933 missbraucht. Der Auftritt Hitlers war lediglich ein Höhepunkt einer Kontinuität gotteslästerlichen Missbrauchs und jahrzehntelanger Kriegsverherrlichung.
■ Wer Frieden gestalten will, muss aus der ganzen Geschichte lernen und darf nichts davon verleugnen.
Wir wollen uns die Geschichte Potsdams nicht ver
harmlosen lassen, um einen Barockturm zu ermöglichen. Dieser ist kein Schuldbekenntnis und verhöhnt die Opfer der Kriege.
Die Befürworter des Kirchennachbaus unterstützen – teilweise ahnungslos und teilweise wissend – Neonationalisten und Antidemo- kraten. Für diese entsteht ein Tempel und Anlaufpunkt, an dem unseliges Preußentum wiederbelebt werden kann. Ausstellungsvitrinen und Vorträge werden das nicht verhindern.
Ein Erstunterzeichner des "Ruf aus Potsdam" ist Alexander Gauland.
HELFEN SIE UNS, DEN WIEDERAUFBAU DER POTSDAMER GARNISONKIRCHE ZU VERHINDERN !
Vor 15 Jahren hieß es, der Aufbau der Garnisonkirche(!) soll bis 2010/2012 abgeschlossen sein. Die erwartete finanzielle "Unterstützung aus den Staaten, die an dem von uns Deutschen entfesselten Zweiten Weltkrieg beteiligt waren" blieb geradezu demonstra- tiv aus. Die Spenden liegen insgesamt weit unter den Prognosen. Die Bauplanung ist unseriös. Unserer Stadt soll eine berüchtigt "berühmte Barockkirche zurückgegeben" werden, obwohl es ein beeindruckendes Bürgervotum dagegen gibt. Die Stadt- verordnetenversammlung hat deshalb beschlossen, sich für die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche einzusetzen. Die kirchennahe Stiftung Garnisonkirche täuscht und manipuliert die Öffentlichkeit, verdunkelt ihre Finanzen und spaltet die Gesellschaft unversöhnlich.
Wir wenden uns an alle Menschen, die mutig und aufrichtig aus unserer Vergangenheit lernen wollen und sich für Frieden ohne alte Wahrzeichen von Krieg und Gewalt einsetzen.
die Nächsten, Profilgemeinde in Potsdam Potsdam, 14. Januar 2019
Ruf aus Potsdam
Der Zweite Weltkrieg war bereits entschieden, als ein Luftangriff am 14. April 1945 die Potsdamer Mitte in Trümmer legte. Die berühmte Hof- und Garnisonkirche fing Feuer und brannte aus. Das holländische Glockenspiel stürzte in die Tiefe und zerschellte. ■ Nach dem Krieg richtete sich die evangelische Zivil- gemeinde 1950 im Turm ein. Sie ließ aus Resten des Glockenspiels zwei neue Glocken gießen und feierte wieder ihre Gottesdienste. Ein neuer Geist war in die alten Mauern eingezogen. Der Wiederaufbau wurde geplant und vorbereitet. ■ Im Jahre 1968 folgte die rechtsstaatswidrige Enteignung der Kirchengemeinde und die Sprengung der wiederaufbaufähigen Kirche. Die zahlreichen Proteste aus dem In- und Ausland wurden ignoriert. Doch selbst die Zerstörung der Kirche konnte nicht verhindern, dass die Garnison- kirche bei zahlreichen Menschen, die Potsdam lie- ben, als Wahrzeichen bis auf den heutigen Tag lebendig blieb. ■ Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es bei der Hinrichtung dieses einmaligen und geschichtsträchtigen Bauwerks bleiben soll. Wir rufen zu einer weltweiten Hilfsaktion für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche auf.
UNTERSTÜTZEN SIE UNS !
Die Garnisonkirche soll zukünftig als offene Stadtkirche ein Gotteshaus für Suchende und Glaubende
werden.
Der befreiende Ruf des Evangeliums soll von hier wieder erschallen. In diesem Gotteshaus könnte zu- künftig das Gedächtnis geprägt, das Gewissen geschärft und die Zukunft
gestaltet werden. Die wieder aufgebaute Kirche soll zu einem Zentrum für Frieden und Versöhnung werden. Unser Aufruf protestiert gegen die ideologisch motivierte Zerstörung
Potsdams in der Vergangenheit und bringt zum Ausdruck, dass Menschen gegen Krieg und Gewalt, gegen Diktatur und Zerstörung zusammenstehen. ■ Die Potsdamer Garnisonkirche war ein
Hauptwerk des preußischen Barock. Ihr Baumeister, PHILIPP GERLACH (1697 - 1748), gilt als Meister des Turms in der Landschaft. Die Garnisonkirche hatte die Funktion eines Leitbaus
für Potsdam. Sie war prä- gender Bestandteil des berühmten Potsdamer Dreikirchenblicks. Zivilisten und Soldaten, Hofgesellschaft und Bürger, Waisenhauskinder und Erwachsene,
Reformierte und Lutheraner versammelten sich hier unter dem Wort Gottes.
JOHANN SEBASTIAN BACH spielte vor FRIEDRICH DEM GROSSEN die berühmte Wagner-Orgel. Europas Herrscher fanden sich ein, um der hier ruhenden preußischen Könige zu gedenken. In dieser Kirche
schlossen sich 1817 die Reformierten und Luthera- ner in Preußen zur Evangelischen Kirche der Union zusammen. Viele der Männer des Widerstands, ins- besondere des 2o. Juli 1944, waren Gemeindeglieder der Garnisonkirche. ■ Die Garnisonkirche wurde missbraucht: Am 21. Marz 1933 nutzten die Nationalsozialisten sie schändlicherweise für eine Inszenierung, die ihre Gegner zu Befürwortern machen soll- te. ■ Wer Zukunft gestalten will, muss die Geschich- te kennen. Wir wollen uns unsere Geschichte nicht nehmen lassen. In Kontinuität und Bruch stellen wir uns der Vergangenheit in ihrer ganzen Zwiespältig- keit. Deshalb rufen wir alle Menschen auf, die Potsdam in ihr Herz geschlossen haben:
HELFEN SIE UNS BEIM WIEDERAUFBAU DER POTSDAMER GARNISONKIRCHE !
Weder die Evangelische Landeskirche noch das Land Brandenburg, weder die Stadt Potsdam noch der Evangelische Kirchenkreis Potsdam können das Geld für den Wiederaufbau allein aufbringen. Wir rufen diejenigen zur weiteren Mitarbeit auf, die be- reits gespendet haben.
Wir hoffen auf Unterstützung aus den Staaten, die an dem von uns Deutschen entfesselten Zweiten Welt- krieg
beteiligt waren.
Wir wenden uns an die Potsdamerinnen und Pots- damer in der Stadt und in der Welt.
Wir wenden uns an alle Menschen, die mithelfen können, unserer Stadt ihre berühmte Barockkirche zurückzugeben.
Fördergesellschaft für den Aufbau der Garnisonkir- che i. G.
Potsdam, Villa Arnim, den 14. Januar 2o4